InnoCow – Auf dem Weg in den Markt (2018 – 2019)

Mein persönliches Ziel hatte ich bereits erreicht – das Unternehmensziel, das Sensorhalsband an die Kuh zu bringen, noch lange nicht. Als ich 2014 mit der Idee gestartet bin, habe ich mir zum Ziel gesetzt, einen externen Investor ebenfalls von meiner Idee zu überzeugen, sodass er Geld in mich und mein Gründungsvorhaben investiert. Was das anbelangt, war ich bereits Ende 2017 erfolgt im Sinne meiner eigenen Zielsetzung. Da dies selbstverständlich kein Grund war, aufzuhören, begann die Reise nun erst richtig. Es galt nun den nächsten Schritt zu gehen: Das Konzept, gute Kontakte, erste Prototypen und Erkenntnisse mussten nun in ein tragfähiges Unternehmen überführt werden.

Die Rechte und Pflichten eines Geschäftsführers

Das fertige Sensorhalsband an der Kuh
Das fertige Sensorhalsband an der Kuh

Die erste Herausforderung nach der Gründung der Kapitalgesellschaft hinter InnoCow war es, Herr des juristischen Dschungels zu werden. In den meisten Veranstaltungen für angehende Gründer wird gern auf Themen wie Schutzrechte in Form von Marken und Patente eingegangen. Jedoch sind die „klassischen“ BWL-Themen wie Buchhaltung, Steuern und Lohnabrechnungen viel dringender zu bearbeiten, nachdem die GmbH geschäftsfähig ist. Weder das Finanzamt noch die Krankenkassen sind hier verständnisvoll oder gar nachsichtig, wenn Abgaben nicht korrekt oder zu spät eingereicht werden. Zwangsvollstreckung und Gläubigeranträge sind hier eher die Regel als die Ausnahme.

Deshalb machte ich mich noch vor der Gründung auf die Suche nach einem Steuerberater, welcher für mich neben den Steuern auch die Lohnbuchhaltung übernimmt. Ich habe zum Glück eine Kanzlei gefunden, welche auch das „richtige Mindset“ für mich als jungen Gründer mitbrauchte. Denn schließlich war ich alles andere als erfahren und hatte gar für alles eingespielte Prozesse parat, welche meine Pflichten wie ein Uhrwerk ausführten. Ehrlich gesagt war ich am Anfang wohl ziemlich beratungsintensiv, was ich an dieser Stelle klar zugeben muss. Über das Internet konnte ich mir zwar zu steuerlichen oder juristischen Aspekten allerlei Grundverständnis autodidaktisch aneignen. Jedoch reichte dies nicht ansatzweise aus, um alle Angelegenheit bzgl. Aufenthaltstitel, Reisekostenabrechnungen oder Berechnung geldwerter Vorteile korrekt abbilden zu können.

Deutsche Bürokratie

Interessant ist vor allem das Thema Lohnbuchhaltung und Arbeitsrecht für mich gewesen. Wir waren nicht nur auf Personal angewiesen, um unsere Ziele als Unternehmen erreichen zu können. Gefühlt haben wir auch jeden Sonderfall mitgenommen (okay, das mag in der deutschen Bürokratie dann doch etwas übertrieben sein). Kurz nach der Gründung stellte ich uns Gründer und noch drei weitere Festangestellte für das Kernteam an. Dies ergänzten wir mit Werkstudenten, Praktikanten und Abschlussarbeiten. Da wir jedoch hier vorrangig ausländische Mitarbeiter einstellten kamen wir so natürlich erstmal mit allen Bestimmungen für nicht EU-Bürger in Kontakt. Diese Tatsache war nicht gewollt, jedoch beworben sich vorrangig ausländischer Studenten bei uns. Ich war darüber nicht wirklich traurig, denn diese hatten es echt drauf! So wurde unsere Unternehmenssprache Englisch oder teilweise auch Hindi – je nach Personenkreis. Es half definitiv, um seinen interkulturellen Horizont zu erweitern.

Spannend sind hier vor allem die Aufenthaltsbedingungen. Diese entfalten ihr volles Potenzial erst nach Beendigung des Studiums und der Aufnahme des ersten Jobs. Da ich fast alle meiner Mitarbeiter aus vorherigen Teilzeittätigkeiten bei uns übernommen habe, durfte ich mich vielfach mit diesen Regelungen auseinandersetzen. Auch der Mindestlohn für Praktikanten hat ein paar schöne Fallstricke, welche bei nicht EU-Bürgern und fachfremden Praktika greifen.

Als Gründer heißt es immer, vor allem aus dem Investorenkreis, dass wir nur an dem Sensorhalsband und dem GoLive arbeiten dürfen. Wenn das denn immer so möglich gewesen wäre. Nachweislich, ich bin in meinem Zeitmanagement penibel, habe ich die Hälfte meiner Arbeitswoche für Administration und Verwaltungsthemen – oder kurz: Papierkram – verwendet. Das in einem Startup mit sehr überschaubarer Größe und Abläufen, was von Grund auf digitale Prozesse anstatt Papier gesetzt hat.

Organisationsaufbau

Die wichtigste Aufgabe kam jedoch mit wachsendem Unternehmen ganz von sich allein auf mich zu. Ich konnte nicht einfach nur Personal einstellen und von ihnen erwarten, dass alles von selbst läuft. Vor allem die motivierten Studenten bei uns mussten erst einmal in die Arbeitswelt eingeführt werden. Bisher wurde ihnen in unserem Ausbildungs- und Universitätssystem nur fachliches beigebracht. Wie man in einem Team oder einer Organisation arbeitet, war für viele Neuland. Als Unternehmen frisch von der Taufe gab es weder eine Kultur noch Prozesse, Abläufe oder gar Strukturen. Als das musste ich erst noch schaffen.

Das größte Problem dabei war, dass wir schlecht alles am Reizbrett entwerfen und dann in die Praxis überführen konnten. Das würde nicht nur zu viel Zeit kosten, welche wir nicht hatten. In dem Augenblick, wo wir mit dem Blueprint der Organisation fertig geworden wären, wäre diese schon längst wieder obsolet gewesen. Wir als flexibles Startup haben uns stets und ständig selbst neu erfinden müssen. Beginnend in der Produktentwicklung, welche agil nach dem Motto „Fail early, fail often“ ausgelegt war.

Aber auch die Teamstrukturen waren einem konstanten Veränderungsprozess unterzogen. Nicht, weil ich dies als Führungskraft so vorgegeben oder vorgelebt habe. Dies entstand schlicht aus der Tatsache, dass sich vieles von sich aus änderte und wir uns ständig weiterentwickelten. Wir wuchsen beständig, wodurch das Teambuilding immer wieder (wenn auch abgeschwächt) von Form begann. Aber auch die Organisation unsere Arbeit wurde von uns kontinuierlich verbessert. Dies mag natürlich auch der Tatsache geschuldet sein, dass wir es am Anfang einfach noch nicht wussten, wie es für uns optimal zu laufen hat. Vieles mussten wir auch erst ausprobieren, wie es für uns und das Unternehmen am besten funktioniert. Schließlich gibt es keine Blaupause, welches sich über alles stülpen lässt.

Agile Softwareentwicklung

Nirgendswo passte diese Aussage besser als zu der agilen Softwareentwicklung, welches ich für uns adaptierte. Mir war von Anfang an bewusst, dass wir hier moderne Vorgehensmodelle für das Projekt- und Produktmanagements einsetzen mussten.

Wir brauchten schlicht schnell Ergebnisse (wie für Startups üblich) und mussten so schnell wie möglich kleine Iterationen bereitstellen können. Sei es, weil unsere KI-ler Daten von den Kühen brauchten, um ihre Modelle trainieren zu können. Natürlich brauchte der Vertrieb auch etwas zum Vorzeigen, damit sie überzeugend das Produkt verkaufen konnten. Wie bereits weiter oben angesprochen war es für das ganze Unternehmen essentiell, dass wir uns iterativ selbst hinterfragten und kontinuierlich unsere Arbeitsweise überprüften. Die wohl wichtigste Tatsache war jedoch schlicht, dass zu keinem Zeitpunkt die Anforderungen an das Produkt vollständig und umfassend bekannt waren. Wie hätten sie auch? Wir mussten ja erst im Markt, live an der Kuh und mit Kunden herausarbeiten, was wie gut funktioniert und in welcher Form gewollt ist.

Aus diesem Grund war Scrum und die Methoden der agilen Softwareentwicklung wie geschaffen für uns. Jedoch konnten wir sie nie eins zu eins nach Lehrbuch bei uns implementieren. Viele Gegebenheiten in unserem Unternehmen und seiner Kultur waren dafür schlicht nicht passend.

Durch die vielen Teilzeitmitarbeiter, welche einen wertvollen Beitrag zu unseren Erfolgen beitrugen, war die Meetingkultur von Scrum so schlecht anwendbar. Hätten sie an allen Meetings, teilgenommen, wäre für sie schlicht keine Zeit für die eigentliche produktive Arbeit gewesen. Zu Beginn waren wir auch noch zu wenige Mitarbeiter, als dass sich die Retrospektiven im Verhältnis zum kostbaren Gut Zeit gelohnt hätte. Viel wichtiger war jedoch, dass am Anfang noch zu wenige Mitarbeiter an ähnlichen Thematiken gearbeitet haben. Es war zwar wichtig für die Frontend-Entwickler zu wissen, wie es in der Sensor-Entwicklung und deren Produktion stet. Jedoch war dieses Wissen für ihre Arbeit nicht förderlich.

Verantwortung übernehmen

Deshalb führten wir die agilen Ansätze erst nach und nach über die Zeit an. Wir begannen mit der Erfassung von unseren Anforderungen als User Stories, welche stets dem Zweck dienten, unseren Kunden einen Mehrwert bieten zu müssen. Wir führten eine Managementsoftware ein, welche zur kollaborativen Verwaltung der Stories, der Sprints sowie der Taskboards und Backlogs diente. Mit genügend Mitarbeitern formten wir einzelne (Projekt-)Teams und nutzen Dailies für die internen Absprachen. Wir führten alle zwei Sprints eine Retrospektive ein, setzen aber am Ende eines jeden Sprints auf ein Review innerhalb des gesamten Unternehmens.

Ich begann früh die Verantwortung für die Durchführung der Dailies abzugeben, da ich durch meine Termine dieser Aufgabe durch meine physische Abwesenheit nicht gerecht geworden wäre. Ich übertrug meinen Mitarbeitern immer mehr die Verantwortung über die Entwicklung in allen Bereichen. Schon allein aus Zeitgründen hätte ich ein Mikromanagement meines Personals nicht stemmen können. Jeder einzelne dankte es mir in zahlreichen Gelegenheiten damit, dass sie über sich hinauswuchsen. Sie nahmen nicht nur die Verantwortung an und gingen sorgsam mit ihr um. Jeder einzelne war ein wertvoller Teil des Ganzen und so fühlte sich jeder im Team und damit alle zusammen im Unternehmen.

Ordnung muss sein

Nach geraumer Zeit musste ich Hierarchien einführen und Verantwortung delegieren. Ich konnte mich schlecht um alle Mitarbeiter und ihre Belange selbst kümmern. Ich hätte es zwar gern, aber dafür fehlte mir schlicht die Zeit. Im Management gilt die Zahl sieben als die effiziente Anzahl an Personen, die an dich berichten sollen. Daran orientierte ich mich grob, da in der Praxis mehr Mitarbeiter an einem Tag dazu geführten haben, dass ich allen nicht gerecht wurde. Learning by doing, sozusagen.

So gab ich zuerst die Teamleitung der Softwareentwicklung, anfangs noch Backend- sowie Frontend-Entwicklung, an meinen ersten Mitarbeiter ab. Später hängten wir die gesamte Datenverarbeitung und Cloud-Infrastruktur dazu und strukturierten ebenfalls die Hardwareentwicklung entsprechend um. Auch hier waren wir mittlerweile auf vier Personen angewachsen und mussten Abläufe mehr strukturieren. Neben den strategischen Entwicklungszielen kam hier die Produktion des Sensorhalsbands sowie deren Aufbau mit all den Gesprächen mit externen Fertigungspartnern hinzu. Darüber hinaus fanden aber auch genug Aufgaben aus dem Tagesgeschäfts ihren Weg in diese Abteilung. Wir setzen hier auf klare Projekte mit Zielen, Meilensteinen und Verantwortlichkeiten. Wir visualisierten all dies nicht nur digital, für die interaktive Kollaboration. Whiteboards halfen merklich dabei, alle relevanten Informationen für die Woche immer im Blick zu behalten. Zusätzlich stieg damit die Interaktion im Team nachweisbar an.

Hardwareentwicklung für das Sensorhalsband

Herzstück unseres Monitoringsystems war das Sensorhalsband für die Milchkühe, welches die Vital- und Aktivitätsparameter der Kühe erfasste. Hierzu mussten wir ein komplett neues Sensorhalsband am Reizbrett entwerfen, was unsere Anforderungen erfüllte und die Dinge so tat, wie wir uns das vorstellten.

Die wichtigste Komponente ist hier die Elektronik und Sensorik. Wir begannen hierbei komplett von vorn und fingen an, verschiedene Sensorik zu testen. Zuerst im Büro und Labor, dann an der Kuh. Viele Erkenntnisse sind bereits in der Praxis und der Wissenschaft beschrieben, aber einige Punkte – vor allem aus praktischen Gesichtspunkten – bleiben hierbei offen. Das größte Problem hier für uns in der Entwicklung war, dass wir noch kein fertiges Sensorhalsband hatten, welches punktuell weiterentwickelt werden konnte. Hier war vor allem das Gehäuse sehr lange ein Hindernis. Es gab keine Standardgehäuse, in welche wir unsere Elektronik sicher hätten verpacken können. Viel wichtiger ist jedoch, dass diese gleichzeitig auch angenehm und sicher – ohne Verletzungspotenzial – für die Kuh zu tragen ist. Da die mit ihren 600 bis 700 Kilogramm nicht gerade zimperlich sind, haben es die ersten Testgehäuse nur Minuten unbeschadet überlebt.

Parallel zu diesen Tests designten wir die ersten Leiterplatinen. Laienhaft ausgedrückt mussten wir hier die Sensorik mit einem Funkmodul und einer Batterie verbinden. Leider war es dann doch nicht so einfach. Wir hatten leider mit unseren drei Anforderungsdimensionen die schwierigsten überhaupt vereint:

  • Robust, leicht und klein in den physischen Abmessungen
  • Effizient im Stromverbrauch, da die Batterien nicht gewechselt werden konnten und so das Halsband <5 autark an der Kuh operieren musste
  • Kostengünstig in der Herstellung, um die Zielpreissetzung am Markt mit der benötigten Marge erfüllen zu können

Sensorhalsband in der Fertigung

Leider ist in der Elektronikentwicklung ein Rapid-Prototyping nicht so einfach umsetzbar, wie wir es aus der parallel dazu stattfindenden Softwareentwicklung kannten. Wir mussten eine neue Version unserer Leiterplatte sehr sorgfältig designen und ihre Funktionalität nach dem Möglichkeiten sicherstellen. Jedoch ist es um dies zweifelsfrei festzustellen notwendig, die Leiterplatte herzustellen. Dafür müssen jedoch erst einmal die notwendigen Komponenten eingekauft und die Leiterplatte als solches gefertigt werden. Letzteres dauert in der Regel zwei bis vier Wochen. Die Bestückung der Platine mit den elektronischen Bauteilen ist normalerweise in fünf bis zehn Arbeitstagen erledigt. In Summe vergehen so schnell sechs bis acht Wochen, bis eine neue Version der Hardware getestet werden kann. Sicherlich kann die Zwischenzeit mit der Weiterentwicklung der Firmware gefüllt werden. Jedoch sind dies erhebliche Release-Zyklen für ein Startup, dass gern täglich neue Erkenntnisse generieren möchte.

Tatsächlich ist die Entwicklung von Hardware noch viel spannender und komplexer, als nur die sehr langen Entwicklungszyklen. Weiter wären hier die gesetzlichen Auflagen an Elektronik in der EU, welche sich in der für Verbraucher bekannten CE-Kennzeichnung bündeln. Diese sagt u.a. für Funksysteme (was unser Sensorhalsband unverkennbar tut) aus, dass diese vor der Markteinfuhr auf die elektromagnetische Verträglichkeit in einem unabhängigem Prüflabor getestet werden muss. Das führt gedanklich aber zu einem Henne-Ei-Problem. Da diese Zertifizierung zehntausende Euro und viel Zeit in der Vorbereitung kostet, geht man diesen Schritt erst nach Abgeschlossener Produktentwicklung. Diese kann jedoch erst dann abgeschlossenen sein, wenn ein größerer Test in der Praxis erfolgt ist. Da diesem juristisch aber einer Markteinführung des Sensorhalsbands gleichkommt, ist das Paradoxon damit perfekt.

Aufbau der Supply Chain für unser Sensorhalsband

Um all dies zu meistern haben wir eine stabile Elektronik in Form von Hardware sowie dazugehöriger Firmware entwickelt und im Anschluss auch produziert. Vor allem aber ist es noch einmal ein signifikanter Unterschied, ob eine Elektronik funktional wie erwartet ihren Dienst verrichtet und ob sie sich auch kostengünstig in großer Stückzahl produzieren lässt. Wir wollten große Chargen von unserem Sensorhalsband verkaufen.

Die Produktion von Elektronik mit Strukturgrößen im Millimeterbereich ist eine sehr komplexe Angelegenheit. Wie bei jeder industriellen Fertigung ist es nie möglich, alles exakt auf den Nanometer genau produzieren zu können. Deshalb spielen die Toleranzen eine so wichtige Rolle. Sowohl welche Genauigkeiten bei der Herstellung eingehalten werden können als auch im Design der zu fertigenden Elektronik. Diese muss auch dann noch tadellos funktionieren, wenn die Fertigungstoleranzen in allen Hinsichten erreicht wurden.

Denn am Ende des Tages ist es immer eine Kostenfrage. Fehlerhafte Produktionen sind Ausschuss, welcher nicht verkauft werden kann und somit eine Abschreibung darstellen. Mit unnötig kleinen Toleranzen zu produzieren, um Ausschuss zu vermeiden, ist aufwendig und somit teuer, was den Kostenpreis pro Sensorhalsband in die Höhe treiben würde. Deshalb die Optimierung des Elektronikdesigns für die Fertigung ein essenzieller Schritt.

Ich baute die dafür notwendige Logistikabteilung intern auf und führten Prozesse bzw. ein Prozessmanagement (in light) ein, um allen physischen Gütern Herr zu werden. Bereits bei der Fertigung in Holland wurden die Sensorhalsbänder programmiert, mit einer eindeutigen Seriennummer versehen und mit dieser laser-graviert. Wir testeten alle Sensorhalsbänder vor Auslieferung mit einer eigens entwickelten Prüfprozedur durch. Für die Verwaltung führten wir ein ERP-System ein und organisierten unser Lager im Einklang mit diesem System.

Wolkig mit Aussichten auf die Cloud

Jedoch ist die beste Hardware heutzutage nichts mehr Wert ohne die passende Software. Unsere Geschäftsstrategie setzte hier von Anfang an auf die Cloud als Marktvorteil. Wir zogen so viel Funktionalität wie möglich in die Cloud, um einerseits die Hardware beim Landwirt vor Ort so kostengünstig und einfach wie möglich gestalten zu können. Andererseits ist jedoch der größte Vorteil gewesen, dass wir kostenneutral für den Kunden als auch für uns neue Funktionen und Updates ausrollen können. Der Kunde muss hierfür kein komplett neues System erwerben, was er aufgrund der Kosten schwerlich tun würde. Deshalb setzte unsere Strategie nicht auf den Verkauf von Hardware, sondern auf die Erbringung von digitalen Services und wiederkehrende Erlöse alias Subscriptions.

Die dafür geschaffene Cloudlösung war in der Lage, zehntausende Events pro Sekunde (sprich eingehende Sensorpakete der Kühe) zu verarbeiten. Wohl gemerkt eingehende Events und keine einzelnen Berechnungen mit diesen, den das wären ungleich unzählige Milliarden gewesen. In den Gebieten Cloud Computing, Big Data und Event Processing bauten wir einiges an Know-how auf und schufen damit technisch gesehen ein hochkomplexes wie spannendes System auf.

Die Cloudarchitektur wurde direkt für die Google Cloud Platform konzipiert, wo auf verschiedene gemanagte Services von Google aufgebaut wurde. Die Datenverarbeitungspipeline, welche die anfallenden Vitalparameter der Kühe in Echtzeit analysiert hat, war das Herzstück des Systems. Dieses bestand aus einem Messaging System für die temporäre Zwischenspeicherung der eingehenden Vitaldaten, der hoch-performanten Verarbeitung mit komplexer KI-Auswertung sowie einer Speicherung in NoSQL-Datenbanken. Für die eigentliche Anwendung in Richtung der Kunden wurde eine Mikroservices-Architektur in einem Service Mesh konzipiert, die Kubernetes für die Container-Orchestrierung verwendete und verschiedene relationale, verteilte Datenbanken nutze.

Das ganze natürlich mit einer vollständigen CI/CD Pipeline garniert: vom branch direkt in einen Kubernetes Namespace, um den Deployments unzähliger Microservices hier her zu sein. Da das Thema Monitoring und Logging für eine Echtzeitanwendung mit diesen Datenmengen (dutzende Gigabyte pro Stunde) essentiell war, setzten wir hier moderne Systeme und Paradigmen wie ElasticSearch und Prometheus für die Infrastruktur-Überwachung nicht nur in den Produktivsystemen, sondern bereits in der Entwicklung ein.

Auf der Zielgeraden mit unserem Sensorhalsband

Im April und Mai dieses Jahres 2019 statteten wir dann den ersten Großbetrieb mit rund 1.000 Kühen mit unserem Sensorhalsband aus. Wir fingen hierbei mit dem ersten Stall und ca. 300 Kühen an. Zusammen mit unserem Service-Partner vor Ort installierten wir das Ortungssystem im Stall und nahmen alles in Betrieb. Die einzige Verzögerung unseres GoLives mit dem ersten wichtigen Großkunden hatten wir durch eine verspätete Lieferung des Klebstoffs für die Gehäuseproduktion. So kam die Lieferung der Sensorhalsbänder eine Woche später als ursprünglich geplant an die Kuh. Da wir die Auslieferung aber bereits im Herbst 2018 angesetzt hatten und diese trotz aller Unwegsamkeit bis auf eine Woche Verzögerung in jeglicher Hinsicht eingehalten haben, werte ich dies als einen sehr erfolgreichen Marktstart. Das System hat ebenfalls so gut funktioniert, dass besagter Kunde alle seine weiteren Ställe und Kühe mit einmal ausgerüstet haben möchte.

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