InnoCow – Auf dem Weg zum Unternehmen (2016 – 2017)

Ich weiß, was ich kann und traute mir die Gründung eines eigenen Unternehmens zu. Ich weiß aber auch, was ich nicht kann. Dazu gehören definitiv Mikroelektronik und integrierte Schaltungen. Aus dem Physikunterricht ist mir noch bekannt, dass der elektrische Strom von der Kathode zur Anode fließt. Das Wissen reicht aber leider nicht aus, um eine eigene Sensorik zu konstruieren, welche die Sensordaten über das Verhalten der Kühe erhebt, die für die spätere Auswertung benötigt werden. Bezüglich Funktionalität, Preis und Stromverbrauch gab es leider keine fertige Lösung, welche ich für meine Zwecke hätte nutzen können.

Zusammenkommen ist ein Anfang, Zusammenbleiben ist ein Fortschritt, und Zusammenarbeiten ist Erfolg.

Henry Ford

Als Einzelkämpfer war nun also der Moment gekommen, an der Verstärkung benötigt wird, um die nächsten Schritte angehen zu können. Also machte ich mich auf, Mitstreiter zu suchen. Leichter gesagt, als getan, wie sich herausstellte. Nicht nur suchte ich in diesem Fall nach jemanden mit fundierter Expertise in Mikroelektronik, was heutzutage gar nicht mehr so einfach war, da Elektronik vielfach aus Kostengründen in Asian gefertigt wird. Damit befindet sich natürlich auch dort das Wissen und Know-How. Mir wurde ebenfalls bewusst, dass ich in diesem Stadium immer noch nichts weiter habe, als eine Idee. Die ist leider, so gut sie auch sein mag, immer noch nichts wert.

Einer für alle – alle für die Gründung

Aus diesem Grund war das EXIST-Gründerstipendium das perfekte Instrument für mich, damit ich meinen potenziellen Mitstreitern und Partnern nicht nur reinen Idealismus bieten konnte. Diese Fördermittel des Bundeswirtschaftsministeriums unterstützen eine Gründung monetär, indem nicht nur ein Budget in Höhe von 35.000 Euro für Sachmittel zur Verfügung gestellt wird. Ferner werden bis zu drei Gründer mit einem Stipendium zur Deckung ihrer Lebensunterhaltungskosten bedacht.

Mit diesem Ziel im Gepäck machte ich mich auf die Suche, ein Team aufzustellen. Leider ist Elektronikdesign nicht mehr en vouge, wie es das früher einmal gewesen sein mag. Im DFKI und dessen Forschungsbereich für eingebettete Intelligen verwies man mich an die Universität, mit der sie zusammenarbeiten, wenn es um die Elektronikfertigung ging. Also ging zur Fakultät für Elektrotechnik an der TU Kaiserslautern. Dort beschäftigt sich aber auch nur ein Lehrstuhl mit dem Entwurf von Elektronik. So suchte ich den Lehrstuhl für Mikroelektronischer Systeme auf. Diese hatte wirklich einen Mitarbeiter, dessen Passion das Design von Leiterplatinen war. Leider war er bereits Teil eines EXIST-gefördertem Gründerteam gewesen und so konnte ich ihn schon formal aus förderpolitischen Gründen nicht für mein Vorhaben gewinnen.

Ich brauchte jedoch zwingend eine Person, welche die Sensorik für mein Produkt entwickelte. Die Sachmittel des Gründerstipendiums reichten nicht aus, um mit einem Auftrag an ein Ingenieurbüro zu gehen. Darüber hinaus brauchte ich ein Gründerteam mit allen wesentlichen Kompetenzen, damit ich das Stipendium bewilligt bekomme. Ein wenig verzweifelt, da die Zeit verstrich und das Jahr 2015 sich dem Ende neigte, erweiterte ich meinen Suchradius – drastisch. So hängte ich an allen Fachbereichen an Universitäten und Fachhochschulen mit passendem Lehrstühlen Flyer aus. Zwar war dies nicht von Erfolgt geprägt, jedoch erweiterte sich dadurch auch mein Netzwerk an Kontakten. Dadurch wurde ich auf Formula Student Team aus Kaiserslautern aufmerksam, welches in ihrer Freizeit Formelautos baut und fährt. Tatsächlich fand ich hier eines meiner Teammitglieder und späteren Mitgründer.

Stipendien für alle

So kam es dann im April 2016, dass ich offiziell den Zuwendungsbescheid vom Ministerium bekam und zum 01. August desgleichen Jahres unser EXIST begann. Damit ging es richtig los. Ich machte mich mit meinem Team fortan ans Werk, die Sensorik hinter unserem Produkt zu entwickeln. Wir testeten Komponenten aus und entwickelten unsere eigenen Platinen, sprachen mit Herstellern und Zuliefern über die Versorgung.

InnoCow Prototyp Ortung (Quelle: InnoCow)
InnoCow Prototyp Ortung (Quelle: InnoCow)

Da zu diesem Zeitpunkt in der Milchviehhaltung langsam das Thema Ortung der Tiere im Stall aufkam, beschäftigte ich mich auch damit. Ich entwickelte mein ursprüngliches Konzept weiter und integrierten eine Ortungslösung mit in unser Produkt. Es vergingen fast zwei Jahre, eh diese Lösung marktreif entwickelten war. Schon allein die Frage nach der technologischen Basis kostete Wochen der Recherche und zahlreiche Prototypen. Im Team untersuchten wir verschiedene Technologien zur Indoor-Ortung, angefangen von Klassikern wie Bluetooth und WLAN über RFID bis hin zu neueren Ultraschall-basierten Verfahren. Am Ende gewann für uns Ultrabreitband, da es die besten Eigenschaften bzgl. Genauigkeit, Robustheit, Skalierung, Stromverbrauch und Preis der eingesetzten Komponenten besaß.

All dies probierten wir am DFKI im Büro, aber auch live an der Kuh in der Praxis aus. Zum Glück unterstütze uns die Lehr- und Versuchsanstalt Hofgut Neumühle tatkräftigt und wir durften unsere Prototypen an ihren Kühen testen. Im Laufe der Zeit kamen da einige zusammen.

Preisgekrönte Idee

Preisverleihung Volker Wissing Sebastian Baumbach InnoCow Pioniergeist 2017 ISB (Quelle: ISB/Alexander Sell)
Preisverleihung Volker Wissing Sebastian Baumbach InnoCow Pioniergeist 2017 ISB (Quelle: ISB/Alexander Sell)

Natürlich verbrachten wir das ganze Jahr nicht nur im Büro, um an dem Produkt zu entwickeln. Das Geschäftsmodell dazu galt es ebenfalls auszuarbeiten. Deshalb investierte ich ebenso viel Zeit in den Businessplan, um aus der Idee ein tragfähiges Konzept für die Gründung entstehen zu lassen. Da leider keiner von uns im Team ein erfahrender Geschäftsmann oder Absolvent der WHU war, suchten ich nach externer Hilfe. Ein von uns gern dafür gern genutztes Mittel waren Businessplan-Wettbewerbe. Ich kam nicht nur viel Feedback für unser Konzept und Vorhaben, sondern auch PR, Kontakte und Preisgelder. Zusätzlich muss ich neidlos eingestehen, dass kein schlechtes Gefühl ist, auf der Bühne einen Preis anzunehmen und eine Laudatio vom Wirtschaftsminister zu bekommen. Ein Gründer muss bereits mit genügend Unwegsamkeit umgehen, da kann etwas Bestätigung nicht schaden.

Da ich im Laufe der Zeit durchaus den Bogen raushatte, folgten auf unseren ersten Preis 2015 bei IKT innovativ noch einige weitere. Insgesamt wurden ich mit InnoCow bei fünf teilweise bundesweiten und europaweiten Businessplan-Wettbewerben ausgezeichnet (zur Liste). In Summe ergab dies natürlich auch eine mittlerer fünf-stellige Summe an Preisgeldern, welche ich sehr gut für unsere Gründung einsetzen konnte. Damit finanzierten wir uns nach dem Ende von EXIST im Herbst 2017, bis unsere Anschlussfinanzierung stand.

Investorenakquise für die Gründung

Da bekanntlich alles ein Ende hat, befasste ich mich frühzeitig mit der Anschlussfinanzierung unserer Gründung. Ein bekannter Ratschlag von EXISTlern ist, dass das Stipendium früher zu Ende geht, als man glaubt bzw. möchte. Kaiserslautern, in der wunderschönen Pfalz gelegen, ist durchaus ein idealer Standort für das Unternehmen. Der Zugang zur Universität und renommierten Forschungsinstituten für den Zugriff zu Knowhow und Talenten ist genauso vorhanden wie günstige Büroflächen. Das ist der Vorteil daran, wenn man in keiner Startup-Hochburg wie Berlin, München oder Hamburg gründet, wo man nur einer von vielen wäre. Der Nachteil ist dadurch jedoch, dass auch das Netzwerk an Investoren nicht so stark ausgeprägt ist, wie an eben genannten Standorten.

Deshalb wandte ich mich frühzeitig an den de facto Hauptinvestor in Rheinland-Pfalz: die Investitions- und Strukturbank Rheinland-Pfalz (ISB). Die ersten Gespräche über eine Beteiligung hätten nicht besser verlaufen können. Wir wurden nach dem ersten Treffen von der damaligen Leiterin des Bereichs Venture Capital, Frau Brigitte Herrmann, mit den Worten verabschiedet, dass sie schon lange keinen so guten Businessplan mehr gelesen hatte.

Zwar vergingen nach diesen ersten Worten noch gute 9 Monate, bis die Beteiligung am Unternehmen formal durch den Notar zustande kam und die Agios valutiert wurden. In der Zwischenzeit gründeten wir das Unternehmen als GmbH mit Sitz in Kaiserlautern und mir als alleinigen Geschäftsführer. Damit war die Gründung erfolgt und ich hate aus einer guten Idee ein Konzept entwickelt, in das Investoren bereit sind, eine große Summe Geld zu investierten. Ich konnte mich damit von einem Gründer zu einem Unternehmer entwickeln.

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